Am Mittwoch war es so weit: Das EU-Parlament hat über die Urheberrechtsreform abgestimmt – und sich für die im Vorfeld stark kritisierten Uploadfilter entschieden. Das heißt, dass Online-Plattformen Inhalte von Usern vor ihrer Veröffentlichung automatisch auf Urheberrechtsverletzungen prüfen und diese durch „effiziente und proportionale Maßnahmen“ verhindern müssen – sofern das Ergebnis bestätigt wird. Die mit Spannung erwartete Abstimmung der Abstimmung hat Netzaktivisten in Schockstarre versetzt, Verlage freuen sich hingegen.
Im Juli wurde bei der ersten Abstimmung noch keine Entscheidung getroffen. Es sah eigentlich ganz gut aus, dass die beiden umstrittenen Artikel der Reform – eben die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht – doch nicht kommen. Nun wurden die Vorschläge der konservativen Fraktion aber doch mehrstimmig angenommen. Und das trotz intensiver Warnungen von IT-Spezialisten und Netzaktivisten.
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Kritiker: „Angriffe auf die Meinungsfreiheit“
So sieht die Datenschutz-Vereinigung Edri ein zukünftiges „Internet, in dem nur Facebook und Google überleben können“. Thomas Lohninger von epicenter.work gab in einer Ausschreibung zum Ergebnis an, das dieses eine „katastrophale Weichenstellung für das freie Internet“ sei: „Es ist beschämend, wie Politikerinnen und Politiker, die dauernd über Digitalisierung reden, gleichzeitig die Grundlagen des Internets zerstören. Uploadfilter und Leistungsschutzrecht sind nicht nur Angriffe auf die Meinungsfreiheit, sie erschweren auch die Situation für junge Unternehmen der europäischen Digitalwirtschaft.“
Leistungsschutzrecht: „Auf die Seite der Künstler stellen“
Was sollen die nunmehr beschlossenen umstrittenen Artikel konkret bringen? Erstens handelt es sich um das Leistungsschutzrecht. Geht es nach dem Abstimmungsergebnis dürfen im Internet künftig nicht mehr ganze Headlines und Intros – sgn. Snippets – von Artikeln verwendet werden, wie es bisher bei Google News & Co üblich war, sondern nur mehr „einzelne Wörter“. Wer jetzt Angst um das arme Google hat, irrt aber. Denn in Deutschland, wo es das Leistungsschutzrecht schon gibt, haben eigentlich alle Verlage Google Sondergenehmigungen für das Zitieren ihrer Inhalte erteilt. Weil es wäre dann ja doch nicht optimal, beim Branchenriesen nicht mehr verlinkt zu sein. Jede Menge Klicks wären verloren … Aber prinzipiell soll das Leistungsschutzrecht Verlage, Kreative etc. besser im Sinne ihrer Urheberrechte schützen. Axel Voss von der CDU, auf den die Vorschläge zurückzuführen sind: „Ich finde, wir sollten anfangen, uns auf die Seite der Künstler zu stellen.“
Uploadfilter: Nur kleine Webseiten ausgenommen
Besonders hoch gegangen sind die Wogen beim zweiten Vorschlag – dem Uploadfilter, der Verlagen und Künstlern zugutekommen soll. Einen solchen Filter müssten künftig so gut wie alle Plattformen realisieren und damit einen automatischen Check aller Inhalte, die von Nutzern kommen, auf Urheberrechtsverletzungen durchführen. Ausgenommen sind nur kleine Webseiten, was EU-Abgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei nicht als zufriedenstellend empfindet: „Upload-Filter mit Ausnahmen für einige wenige bleiben Upload-Filter.“
Gerade durch den verpflichtenden Einsatz von Uploadfiltern besteht natürlich die Gefahr von Zensur. Dies ist auch die größte Angst der Kritiker, welche eine „Zensurinfrastruktur“ ewarten. Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, sieht auch die Problematik der Funktionsweise von Filtern: „Filter können nicht entscheiden, ob ein Werk zitiert oder parodiert wird, und werden daher im Zweifelsfall immer mehr blockieren als notwendig.“ Eine weitere Kritik an den Uploadfiltern ist ihre Umsetzung: Große Plattformen wie Google oder Youtube verfügen bereits über derartige Technologien und müssen nicht mehr extra investieren. Alle anderen jedoch schon, was viel Geld und Zeit kosten könnte.
Als kleines Extra hat die EU obendrein Sportveranstaltern die Exklusivrechte für alle Bilder und Videos ihrer Events zugesprochen. Wenn man das wirklich ernst nimmt, dürftest du bei einem Fußballspiel keinerlei Schnappschüsse mehr machen.
Weitere Verhandlungen „letzte Chance für das freie Internet“
Trotz der Abstimmung ist aber noch nicht aller Tage Abend: Nun folgen die Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat, die unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft geführt werden. Dann geht die ganze Thematik wiederum retour ans EU-Parlament zur endgültigen Bestätigung des wie auch immer gearteten Ergebnisses aus den Verhandlungen. Außerdem möchten viele Organisationen sich in ihren Herkunftsländern für eine abgeschwächte Umsetzung starkmachen. Julia Reda und viele anderen sehen in den nun startenden Verhandlungen eine „letzte Chance für das freie Internet“.
Quelle: Standard Online, futurezone.at
Erstellt am: 14. September 2018