Amazon in der Kritik: Gesichtserkennung zum Schleuderpreis

Nicht nur Facebook hat es, sondern auch Amazon: ein höchst effizientes Gesichtserkennungssystem. „Rekognition“ wird vom Online-Handelsriesen vor allem als technische Wunderwuzzi gepriesen. Binnen Sekunden erkennt es neben zahlreichen anderen Funktionen ein gesuchtes Gesicht aus Tausenden, wenn nicht Millionen, von Personen. Praktisch – aber die Tatsache, dass Amazon die Technologie Strafverfolgungsbehörden zum Schleuderpreis anbietet, hat jetzt US-Bürgerrechtsorganisationen auf die Barrikaden gerufen.

„Gefährliches Überwachungssystem“, das auf „Missbrauch“ angelegt ist

Konkret hat die ACLU (American Civil Liberties Union), eine sehr renommierte amerikanische Bürgerrechtsorganisation, gemeinsam mit mehr als 30 weiteren Organisationen, Amazon-Boss Jeff Bezos einen öffentlichen Brief geschickt. Dieses Schreiben soll Bezos dazu bewegen, Rekognition den Behörden nicht mehr weiter zugänglich zu machen. Denn: Wenn man sich die Anleitung durchliest, würde das „wie eine Gebrauchsanweisung für autoritäre Überwachung“ klingen, so ACLU-Vertreterin Nicole Ozer. Und weiter: „Wenn ein gefährliches Überwachungssystem wie dieses erst einmal gegen die Öffentlichkeit gerichtet ist, kann der Schaden nicht ungeschehen gemacht werden.“ Rekognition sei „auf den Missbrauch durch Regierungen angelegt.“ Ganz schön harter Tobak …

Was kann „Rekognition“?

Die leichteste Übung für das System ist das Herauspicken einzelner Personen in Videos und Fotos. Quasi Peanuts. Darüber hinaus kann es aber angeblich auch per Gesichtsanalyse Stimmungen erkennen oder auch einzelne Individuen in einer Menschengruppe verfolgen. Die Gesichtserkennung muss natürlich nicht gleich für „Böses“ genutzt werden. Bei der Traumhochzeit von Prince Harry nahmen einige Medien Rekognition dafür her, Promis blitzschnell auf Bildern zuordnen zu können. Anders sieht es da schon bei den Überwachungsmöglichkeiten mit dem System im öffentlichen Raum aus. Millionen Menschen auf Kameraaufnahmen – Rekognition findet genau die eine, die gesucht wird. Und wenn es besonders wichtig ist, gibt Rekognition sogar Alarm bei der Erkennung bestimmter gesuchter Fahrzeuge etc. Ja, es soll sogar vor riskanten Situationen warnen.

Verdächtige statt binnen Tagen in wenigen Minuten identifizierbar

Letztere Einsatzmöglichkeiten blieben natürlich auch den Behörden nicht lange verborgen. Immerhin verspricht Rekognition großes Potenzial für eine effizientere Strafverfolgung. Und so zählen zu Amazons Kunden neben Pinterest oder Here auch Polizeistationen. Jene in Washington County ist begeistert von der Schnelligkeit des Systems: Brauchte man früher mühsame drei Tage, identifiziert Rekognition einen Verdächtigen in einer Datenbank mit Hundertausenden Fotos von Verbrechern jetzt binnen Minuten. Dabei geht es nicht um einzelne Dienste, sondern um das große Ganze, das sich bedenklich anhört: Laut Reuters hatten die US-Strafverfolgungsbehörden 2016 schon über 100 Millionen Personen – jeder zweite Erwachsene – in ihren Gesichtserkennungsdatenbanken. Oft ohne Wissen, geschweige denn Einverständniserklärung der Betroffenen! Big Brother lässt grüßen, klingt verdammt nach Überwachungsstaat – und hat deswegen auch die ACLU und andere auf den Plan gerufen.

Kostspielige Überwachung? Weit gefehlt!

Wenn du jetzt denkst, dass derartige Technologien den Behörden sicher ein Heidengeld kosten müssen, irrst du gewaltig: Ein Polizeisprecher, dessen Behörde Rekognition nutzt, erzählte der Washington Post, dass der Dienst nur um die 10 Euro im Monat kosten würde. Ein Blick auf die Preislisten bestätigt das Niedrigpreis-Niveau von Rekognition, das zu den Amazon Web Services gehört. Bildanalysen kosten zwischen 40 Cent und einem Dollar für 1.000 Stück, Videoanalysen 10-12 Cent pro Minute.

Keine Stellungnahme von Amazon

Was aber sagt Amazon zu den Vorwürfen? Offizielle Stellungnahme gab es keine. Der Konzern rühmt Rekognition auf seiner Webseite lediglich als Unterstützung bei der Suche nach Vermissten oder für Kundenanalysezwecke für Händler. Zweiteres finden wir nun auch nicht gerade ganz koscher. Stell dir vor, du schaust dir in einem Shop ein Gerät an und der Händler ist per Kamera dabei und lässt sich von Rekognition sagen, wie du das Produkt findest …

Die Bürgerrechtsorganisationen haben jede Menge Munition im Gepäck. Wenn man sich die Fakten von Rekognition so ansieht, klingt das wirklich nach totaler Überwachung, die beinahe schon kostenlos ist. Aber werden die Organisationen gegen Amazon in Kombination mit den US-Strafverfolgungsbehörden eine Chance haben?

Quelle: futurezone.at, Spiegel Online


Erstellt am: 19. Juni 2018

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