Europäische Polizeibehörden werden zur Massenüberwachung ermächtigt

Wie europäische Polizeibehörden zur Massenüberwachung befähigt werden. Die EU will den Behörden mehr Überwachungsmöglichkeiten geben. Dies widerspricht der Fokussierung auf KI

Die Polizeibehörden in der EU werden stärker.

Die EU hat unermüdlich vor den Gefahren des Einsatzes künstlicher Intelligenz zur Massenüberwachung gewarnt. Schließlich würde es eine nie dagewesene Automatisierung der Informationsverarbeitung ermöglichen – was wiederum beispielsweise Grundrechte gefährden würde, hieß es in einer Mai-Sendung des Europäischen Parlaments. Der Einsatz solcher Technologien ist im Rahmen des Künstliche-Intelligenz-Gesetzes sogar weitgehend verboten. Zumindest für einige Leute.

Bei den Strafverfolgungsbehörden geht die EU einen ganz anderen Weg.

Trotz heftiger Kritik von Datenschützern ist am Dienstag ein neues Europol-Mandat in Kraft getreten, das europäische Polizeibehörden faktisch zur Massenüberwachung ermächtigt. Konkret bedeutet das: Es kann die personenbezogenen Daten unschuldiger Menschen sammeln und verarbeiten, Big-Data-Analysen durchführen und im Sinne von „Research and Innovation“ neue Technologien im Bereich der künstlichen Intelligenz entwickeln – und deren Algorithmen-Set informieren. So beschreiben es die Behörden. Dieser Schritt wird als Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus innerhalb der EU angesehen.

Auf der anderen Seite beschwerte sich die Grundrechtsgruppe EDRi, dass das neue Mandat ein „datengesteuertes Polizeimodell“ ermögliche, das „unsere grundlegendsten Rechte nicht schützt“. Der Einsatz von KI-Systemen sei für Randgruppen gefährlich, weil sie „aufgrund diskriminierender Annahmen Merkmale priorisieren“, um Personen als verdächtig einzustufen.

Ständige Kritik

Auch der EU-Datenschutzbeauftragte (EDSB) Wojciech Wiewiórowski kritisierte das Projekt. Nicht zuletzt, weil Polizeibehörden immer wieder wegen illegaler Datensammlung aufgefallen sind. Im Jahr 2020 verurteilte der EDSB Europol dafür. Ein weiterer Antrag auf Löschung personenbezogener Daten wurde Anfang dieses Jahres gestellt. Es ist jedoch unklar, ob diese Regel jemals befolgt wurde.

Problematisch ist dies laut Wiewiórowski, weil Mitgliedsstaaten die Datenverarbeitung von Europol rückwirkend legalisieren können – auch wenn dies vor Inkrafttreten der Mandatsverlängerung geschieht. „Der EDSB hat ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser rückwirkenden Genehmigung“, schrieb er Ende Juni in einer Erklärung.

Er erklärte auch, dass die Behörden in Zukunft die Daten unschuldiger Menschen genauso behandeln können wie Personen, die mit Straftaten in Verbindung stehen. Allerdings werde die Verlängerung des Mandats „nicht von starken Datenschutzgarantien begleitet“.

Geringe Qualität

Künstliche Intelligenz zur Überwachung verwenden
Künstliche Intelligenz zur Überwachung verwenden

Dies ist jedoch nicht das einzige Projekt zur Erweiterung der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden. Das andere ist der Vertrag von Prüm, der derzeit überarbeitet wird. Seit den frühen 2000er Jahren erlaubt das Gesetz den automatisierten grenzüberschreitenden Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten zwischen nationalen Behörden. Ergänzt werden diese künftig durch Gesichtsbilder, Polizeiakten und Führerscheindaten, die EU- und Schengen-weit geteilt und mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.

Ella Jakubowska warnte in einem Interview , dass bei Umsetzung der Maßnahmen die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware innerhalb der EU deutlich zunehmen könnte. Derzeit verwenden etwa 50 % der Mitgliedstaaten solche Technologien nicht. Der neue Rechtsrahmen werde jedoch „einen starken Anreiz bieten, diese Datenbanken nicht nur mit EU-Mitteln zu erstellen, sondern auch KI-basierte Gesichtserkennungssysteme auf sie anzuwenden“.

Hinzu kommen zahlreiche Probleme mit der Datenqualität der nationalen Polizeidatenbank. Neben Fakten werden häufig auch Gerüchte und diskriminierende Äußerungen genannt. Mit dem Prüm II können all diese Ungenauigkeiten in das zwischenstaatliche System einfließen und von Polizeibehörden im gesamten Schengen-Raum eingesehen werden.

Zudem ist der Gesetzentwurf derzeit sehr weit gefasst. Dies kritisierte auch Wiewiórowski in einer Erklärung im März. Es ist unklar, wessen Daten möglicherweise übermittelt wurden. Nur der Täter oder das Opfer oder Zeuge? Während der EDSB den Austausch von DNA-Profilen und Gesichtsbildern nur im Zusammenhang mit schweren Straftaten empfiehlt, enthält der Entwurf der Europäischen Kommission keine entsprechenden Einschränkungen.

Auch Frontex ist mit dabei

Das dritte Projekt mit dem Namen „Pedra“ wurde kürzlich in einem Bericht des „Spiegel“ hervorgehoben. Deshalb plant Europol mit der Grenzschutzagentur Frontex den Aufbau eines Massenüberwachungssystems entlang der EU-Außengrenzen. Geplant ist unter anderem ein internationaler Austausch sensibler Daten von Migranten, darunter DNA, Fingerabdrücke und Fotos. Auch hier gilt die Begründung, dass die Verfolgung grenzüberschreitender Straftaten eine bessere Zusammenarbeit erfordert. Dem Berichterstatter zufolge haben die Behörden bislang versucht, etwaige Bedenken zu vertuschen.

Vorübergehender Vorschuss

Gemeinsam ist den aktualisierten Projekten Europol, Prüm II und „Pedra“, dass sie vom Gesetzgeber deutlich weniger bekannt gemacht werden als die anderen digitalpolitischen Projekte der EU.

Das beste Gegenbeispiel ist das Gesetzespaket aus dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA), die die Macht der größten Technologieunternehmen wie Google, Facebook und Amazon einschränken. Im Vorfeld der Entscheidung betonen die EU-Institutionen die enorme Relevanz und Tragweite der neuen Regelungen im digitalen Raum und machen immer wieder deutlich, dass sie Ordnung in den „Wilden Westen“ des Internets bringen werden.

Auch die größten Grundrechtsgruppen und verbundene Unternehmen haben ihre Lobbyarbeit auf DSA und DMA konzentriert. Für letztere bedeutet das Gesetz unangenehme Änderungen. Laut einer Studie des European Enterprise Observatory geben allein die Top 10 der Technologieunternehmen mehr als 32 Millionen US-Dollar pro Jahr für Lobbyarbeit bei EU-Institutionen aus und versuchen, ihre Argumente im öffentlichen Dialog „durch Lobbyorganisationen“ zu vertreten. Wir haben darüber mehrfach berichtet.

Widerspruch & fehlende demokratische Information und Diskussion

Es gibt aber keine vergleichbare Lobby für diejenigen, die von einer massiven Datensammlung und darauf basierenden Überwachungsmaßnahmen betroffen sein werden. Es ist aber auch nicht im Interesse des Gesetzgebers, entsprechende Entwicklungen zu prominent anzukündigen. Unter anderem aufgrund der eingangs beschriebenen Widersprüchlichkeit des „Künstliche-Intelligenz-Gesetzes“ – und mehr Öffentlichkeit kann es zu Protesten kommen, die die Umsetzung des Vorhabens gefährden.

Alle oben genannten Maßnahmen sind noch nicht in Kraft getreten. So muss sich das Europäische Parlament beispielsweise noch zu Prüm II äußern. Angesichts des Umfangs der Neugestaltung des Gesetzes – die sicherlich auf einer Stufe mit DSA und DMA liegt – sollte der Gesetzgeber große Anstrengungen unternehmen, um die EU-Bürger über ihre Auswirkungen zu informieren. Auch wenn es scharfe Kritik hervorrufen könnte.

Unser Fazit / Kommentar

Die Massenüberwachung wird im Schatten der aktuellen Probleme, die die Politik selbst verschuldet hat, weiter aber sehr leise und unauffällig vorangetrieben. Wir können davon ausgehen, dass einige der technischen Möglichkeiten in einigen EU Staaten bereits im Einsatz sind (Testbetriebe) und die derzeitige Umsetzung nun rechtlich auch eingebettet werden sollen. Der Fahrplan für europäische Bürger soll eine KI gestützte Massenüberwachung bringen, dies zusammen mit neuen Zensurmethoden wird eine gefährliche Mischung ergeben. Heute schon werden Oppositionelle Meinungen in der EU strafrechtlich verfolgt, die Zukunft sieht noch deutlich schlimmer aus, wenn es auch na Aussagen der aktuellen EU Kommissarin aus der tschechischen Republik geht, die eine harte Verfolgung und Zensur fordert.  Wir stehen heute bereits am Abgrund der Rechte auf Privatsphäre und der Meinungsäußerungen und bald werden wir auch den letzten Schritt weiter gegangen sein. Wie in der Vergangenheit gezeigt, wird es danach auch keinen Weg mehr zurück geben.


Erstellt am: 10. Juli 2022

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