Kehrt Google mit einer zensierten Suchmaschine nach China zurück?

Acht Jahre ist jetzt her, dass Google sich aus China zurückgezogen hat, um gegen die Zensur und das Online-Hacking des Staates zu protestieren. Mit diesem Protest soll es jetzt vorbei sein, berichten The Intercept und die New York Times. Laut deren anonymen Quellen arbeitet der Konzern an einer zensierten Suchmaschine für China, die von der Regierung gesperrte Webseiten und Suchbegriffe filtert.

Die Quellen berichteten der New York Times, dass Google Ingenieur-Teams an einer Suchmaschinen-App arbeiten, die von Beijing verbotene Inhalte sperrt. Der Konzern habe dieses Service auch bereits der chinesischen Regierung präsentiert. Die Existenz des Projekts bedeutet aber nicht zwangsläufig die tatsächliche Rückkehr von Google nach China, schwächen die beiden Quellen ab. Google entwickelt und testet des Öfteren Services, die dann doch nie öffentlich verfügbar werden. Dieser Versuch Googles, der als erstes von The Intercept bekanntgemacht wurde, ist das jüngste Beispiel der Versuche von US-Techfirmen, ihre Produkte entsprechend anzupassen, um den riesigen chinesischen Markt bedienen zu können – auch auf Kosten von Rede- und Meinungsfreiheit.

Kein leichter Stand für US-Tech-Firmen in China

LinkedIn zensuriert beispielsweise seinen Content in China. Und Facebook hat eine eigene Software entwickelt, um das Veröffentlichen bestimmter Postings zu unterbinden, um diese in China einsetzen zu können. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Software chinesischen Behörden angeboten worden wäre. Auch wenn die Konzerne sich bemühen, die Erfolgsaussichten, in China durchzustarten sind gering. Im Juli erhielt Facebook kurzfristig die Erlaubnis zur Eröffnung einer Tochterfirma in der chinesischen Zhejiang Provinz. Binnen Stunden wurde diese aber auch schon wieder zurückgezogen.

Amnesty International: „Schwarzer Tag für die Freiheit des Internets“

Die Idee von Google, eine zensierte Suchmaschine anzubieten, stößt vor allem bei Menschenrechts-Aktivisten auf große Aufregung: Viele von ihnen sind in Sorge, dass Google eine sehr lange Liste ausländischer Webseiten inklusive Facebook, Twitter und The New York Times sperren würde, weiters chinesische Suchanfragen, die das Tienanmen Massaker 1989 und Informationen über die chinesische Regierung sowie Begriffe wie Menschenrechte oder Demokratie beinhalten. Amnesty International bezeichnet es als „schwarzen Tag für die Freiheit des Internets“, die „eine unglaubliche Attacke auf die Informationsfreiheit“ darstellen würde, wenn Google die chinesischen Zensur-Bestimmungen akzeptiert.

Sogar Google-Mitarbeiter laufen Sturm

Aber nicht nur Organisationen wie AI warnen vor der zensierten Suchmaschine, die sogar schon einen Namen hat – „Dragonfly“. Sogar Google-Mitarbeiter sind laut New York Times nicht begeistert. Einige von ihnen drückten letzte Woche auf verschiedenen internen Messaging-Plattformen ihre Enttäuschung über das China-Projekt aus – das sagen zumindest vier Mitarbeiter, welche die Nachrichten sahen und um Anonymität gebeten haben, da nicht öffentlich über das Projekt gesprochen werden darf. Die New York Times konnte ein internes Posting einsehen, das kundgab, dass einige Angestellte, die an dem Projekt mitarbeiten sollten, dies abgelehnt hatten. Einige Mitarbeiter sagten, dass das Projekt in krassem Widerspruch zu den jüngsten Statements des Konzerns zu seiner Einstellung zur chinesischen Zensur stünde, und genauso zu den gerade erst veröffentlichten Prinzipien zur ethischen Nutzung von künstlicher Intelligenz. Diese besagen, dass Technologien nicht dazu genutzt werden sollten, um Menschenrechte zuwiderzuhandeln.

Google gibt kein offizielles Statement zu „Dragonfly“ ab

Google selbst bezieht nicht öffentlich Stellung zur angeblichen zensierten Suchmaschine: „Wir bieten in China eine ganze Reihe mobiler Apps an, wie Google Translate und Files Go. Wir helfen chinesischen Entwicklern und haben signifikante Investitionen in chinesische Unternehmen wie JD.com vorgenommen, aber wir kommentieren keinerlei Spekulationen über Zukunftspläne“, so Google-Sprecher Taj Meadows. Auch wenn Google seine Suchmaschine 2010 in China gestoppt hat, zeigte das Unternehmen in letzter Zeit vermehrt Interesse daran, Zugang zur weltweit größten Internet-Bevölkerung zu erhalten. Immerhin nutzen mehr als 730 Millionen Chinesen das Internet.
Im Juni verkündete der Konzern ein 550 Millionen $ Investment in den Online-Retailer JD.com. 2017 enthüllte Google Pläne, ein Forschungszentrum in China zu eröffnen, das sich auf künstliche Intelligenz konzentriert. Außerdem hat das Unternehmen Übersetzungs- und File-Management-Apps für den chinesischen Markt herausgebracht. Google verfügt derzeit über mehr als 700 Mitarbeiter in China. In den Jahren nach Googles Rückzug sind einige lokale Mitbewerber gewachsen, inklusive Baidu. Nicht nur die Suche, auch der Großteil der Google-Services wie der App-Store, E-Mail-Services und YouTube, bleiben hinter der Great Firewall unzugänglich. Die Umsetzung von „Dragonfly“ bis zur Nutzung der App könnte in 6 bis 9 Monaten fertig sein.

Internetzensur in China die letzten 5 Jahre extrem verschärft

Auch wenn die Verhandlungen von Google mit der chinesischen Regierung den Quellen nach nicht sehr gut verlaufen sind, könnte China Google als Trumpf in seinen Verhandlungen mit der US-Regierung nutzen. Ganz nach dem Motto: Die Rückkehr von Google nach China als politischen Sieg für Präsident Trump. China ist für Google ein immer schwieriger zu steuernder Markt. Seit Präsident Xi Jinping vor fünf Jahren an die Macht kam, hat die Regierung die Internetzensur extrem verschärft. Unternehmen benötigen jede Menge Ressourcen, um die Anforderungen dieser Zensur zu erfüllen. Daran zu scheitern kann zum ernsthaften Problem werden: In der ersten Jahreshälfte 2018 entzog die chinesische Regulierungsbehörde mehr als 3.000 Webseiten die Lizenz. Junge Menschen in China wissen oftmals nicht, was Google überhaupt ist. Für uns natürlich unvorstellbar …. Dieses Marktsegment für sich zu gewinnen ist keine leichte Aufgabe und bedarf einer wesentlichen Differenzierung zum Konkurrent Baidu.

Auf den chinesischen Social Media begrüßten viele Menschen eine Rückkehr von Google nach China als willkommenen Mitbewerb zu Baidu, das mit einigen Skandalen konfrontiert wurde. Wiederum andere fragten sich, wie groß der Nutzen eines zensierten Googles sein könne – denn wer würde ein zweites Baidu brauchen? Amnesty-Forscher Patrick Poon in Hongkong fragte zudem: „Wird Google auch einknicken und persönliche Daten herausrücken, sollten die chinesischen Behörden das verlangen?“

Quelle: The New York Times, FAZ


Erstellt am: 5. August 2018

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